Inspirieren

Wie schmeckt Solidarität?

Nachlese zum 9. Treffpunkt Klimakultur im Kunstpavillon

Am 25. April fand der 9. Treffpunkt Klimakultur statt – diesmal im Kunstpavillon der Tiroler Künstler*innen Vereinigung in Innsbruck.(1) Der Ort bot den idealen Rahmen für die klimakulturelle Auseinandersetzung: Aktuell ist dort die Ausstellung Tipping Point Phantoms zu sehen, darunter eine filmische Installation von Vik Bayer, die sich mit solidarischer Landwirtschaft in Sizilien beschäftigt.(2) Ein thematischer Auftakt, der den Raum geöffnet hat – für ein Gespräch über Verantwortung, Risiko und die Frage, wie eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen kann.

Ein Abend zwischen Äpfeln und Einsichten

Der Treffpunkt war gut besucht, das Interesse spürbar. Bettina Siegele, Künstlerische Leiterin und Geschäftsleiterin der Künstler*innen Vereinigung Tirol (3), sowie Lisa Prazeller und Barbara Alt (Klimakultur Tirol)(4) eröffneten den Abend. Im Mittelpunkt stand anschließend das Gespräch zwischen Regula Imhof, die in Tirol mit ihrer Genossenschaft Gute Frücht solidarische Landwirtschaft betreibt, und Vik Bayer. Bayers filmischer Beitrag über das sizilianische Konsortium LeGallineFelici gab den Anstoß für den Austausch, der von Johannes Reisigl moderiert wurde.(5)

 

Eine zentrale Frage: Warum müssen einzelne Landwirt*innen das gesamte Risiko tragen, wenn eine Ernte ausfällt – obwohl sowohl der Handel als auch wir alle als Konsument*innen von ihrer Arbeit abhängig sind? Dürre, Frost oder Starkregen treffen nicht nur Felder, sondern ganze Versorgungsstrukturen. Die Klimakrise ist kein individuelles Schicksal, sondern eine kollektive Realität. Und weil das so ist, braucht es auch kollektive Verantwortung.

 

Dass das möglich ist, zeigen Modelle wie jenes von Gute Frücht, bei dem Konsument*innen sich an der Finanzierung und am Risiko beteiligen – und damit auch an der Stabilität und Zukunftsfähigkeit regionaler Landwirtschaft. In Sizilien geht man sogar noch weiter: Das Konsortium LeGallineFelici hat einen Solidaritätsfonds geschaffen, gespeist vor allem durch Direktvermarktung. Wer dort Orangen, Feigen oder Oliven bezieht, trägt auch einen Teil dazu bei, dass ein Ernteausfall nicht zur Existenzkrise wird.

Der direkte Weg vom Feld auf den Tisch

Die Direktvermarktung spielt in beiden Modellen eine Schlüsselrolle – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich, denn sie schafft Beziehung, Transparenz und einen Raum für Verantwortung jenseits anonymer Handelsstrukturen. Vik Bayer sprach in diesem Kontext von einer Entfremdung zu unserem Essen: Wie können wir wieder eine Beziehung kultivieren – sowohl zu den Produkten, die wir konsumieren, als auch zu den Menschen, die diese für uns produzieren? Welchen Wert messen wir Lebensmitteln bei? Und was kann eine künstlerische Perspektive dazu beitragen, Gegenmodelle zu diesen gegenwärtig doch sehr einseitigen Strukturen zu schaffen?(6)

 

Zum Abschluss wurde das Thema auf sinnliche Weise greifbar: Regula Imhof hatte die letzten (duftenden!) Lageräpfel ihrer Ernte mitgebracht – eine kleine, feine Verkostung, die deutlich machte, was gute Zusammenarbeit und sorgfältige Lagerung leisten können. Und was dabei herauskommt, wenn Lebensmittel nicht bloß Ware sind, sondern Teil eines bewussten Miteinanders.(7)(8)

 

Abgerundet wurde der Abend durch ein gemeinsames Essen – ein Buffet der Innsbrucker Genossenschaft feld:schafft, die mit überschüssigen Lebensmitteln kocht. Auch hier zeigt sich ein anderes Verständnis von Wert: Was im regulären Handel aussortiert wird, wird hier zur Grundlage für kreative, köstliche Gerichte. Eine Küche, die zum Thema des Abends passte – solidarisch, gemeinschaftlich und zukunftsorientiert.(9)(10)

 

Der 9. Treffpunkt Klimakultur hat gezeigt, wie dringlich, aber auch wie konstruktiv die Frage nach neuen Formen der Landwirtschaft gestellt werden kann. Es braucht Räume, in denen solche Gespräche möglich sind – und Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu teilen.

info

Das Gespräch zum Nachhören
FREIRAD – Freies Radio Innbruck strahlt die Aufzeichnung des Gesprächs in einer Sondersendung am Sonntag, 11.5. von 18 bis 20 Uhr aus.

(1)Klimakultur Tirol zu Gast im Tiroler Kunstpavillon

(2)Ausstellung "Tipping Point Phantoms" von Vik Bayer und Kaja Clara Joo; im Vordergrund: Apfelsaft von Regula Imhof © Daniel Jarosch

(3)Bettina Siegele von der Künstler*innen Vereinigung Tirol (links stehend) eröffnet den Abend © Daniel Jarosch

(4)Lisa Prazeller und Barbara Alt von Klimakultur Tirol (rechts stehend) © Daniel Jarosch

(5)Im Gespräch: Regula Imhof (links), Johannes Reisigl (Mitte), Vik Bayer (rechts)

(6)9. Treffpunkt Klimakultur © Daniel Jarosch

(7)Apfelverkostung © Daniel Jarosch

(8)Apfelverkostung © Daniel Jarosch

(9)Die Innsbrucker Genossenschaft feld:schafft hat ein köstliches Buffet für den Treffpunkt zubereitet © Daniel Jarosch

(10)Die Innsbrucker Genossenschaft feld:schafft hat ein köstliches Buffet für den Treffpunkt zubereitet © Daniel Jarosch