Kino Monoplexx in der MuKu St. Johann – ein Besuch im Rahmen der Tage der Klimakultur von Eva Siller
Klimakultur rundum und auf der Kinoleinwand
Am Donnerstag, 16. Oktober hat der Verein Musik Kultur St. Johann (MuKu) zum Kino Monoplexx in den Kulturraum Alte Gerberei geladen. Der Spielfilm Das tiefste Blau (O último azul) von Gabriel Mascaro lässt Besucher*innen an diesem Abend die Protagonistin auf einer abenteuerlichen Reise entlang des Amazonas in Brasilien begleiten. (1) Doch zunächst wollen wir uns selbst auf eine kleine (Zeit-)Reise begeben und mit den Anfängen des Vereins MuKu beschäftigen. Dafür treffen wir uns vor Ort in der Alten Gerberei in St. Johann mit Hans Oberlechner, einem Mitbegründer der MuKu, sowie Lukas Massinger und Maria Graf, den aktuellen Vorstandsmitgliedern des Vereins.
Ökologische und soziale Verantwortung – von der Gerberei zur Green Location
Vor mehr als 30 Jahren hat MuKu 1992 angefangen, „eine karge, von Tourismuswirtschaft, der Jagd nach jährlichen Nächtigungsrekorden und dem damit verbundenen Drang zur Eventkultur geprägte Kulturlandschaft zu beackern und zu pflügen, Ideen und Visionen zu säen, fleißig zu gießen und endlich zu ernten.“
Die Früchte dieser Arbeit? Zehn Jahre später konnte das Areal der Alten Gerberei durch den Verein MuKu angekauft werden. Im Laufe der Jahre wurde die ursprüngliche Bausubstanz um- und ausgebaut. Jetzt steht dort ein bedeutendes und vielseitiges Kulturzentrum, das mit der Zeit gewachsen und nicht mehr aus dem Ort wegzudenken ist. (2)
Die Alte Gerberei versteht sich als kulturelle Nahversorgerin.
Das abwechslungsreiche Programm erfreut Liebhaber*innen von Kino, Konzerten und Theater, ob Jung oder Alt, einheimisch oder angereist. Im Kulturzentrum befinden sich ein Mehrzwecksaal und Proberäume, aber auch alles, was die Projekte zum Klingen bringt, darunter eine Ton- und Lichtanlage und das nötige instrumentale Repertoire. Seit 2013 lässt ein Filmprojektor die Halle zum Kino werden. Zwischen den Landeshauptstädten Innsbruck und Salzburg ist diese Form des Programmkinos einzigartig.
Das Filmprogramm wird von einem Teil des Teams sorgsam kuratiert. „Es ist viel in Eigenregie. Aber ich denke, dass man das auch spürt, weil viel Herzblut dabei ist“, erzählt Maria Graf, die auch Leiterin der Kinogruppe ist.
Und dieses Herzblut ist auch auf anderen Ebenen spürbar. MuKu arbeitet sehr stark sozial- und umweltpolitisch, betont Hans Oberlechner. Nach zwei Jahren intensiver Arbeit wurde das Kulturzentrum Alte Gerberei im Jahr 2023 durch das Österreichische Umweltzeichen als Green Location zertifiziert und demonstriert damit die andauernden Bemühungen des Kulturzentrums für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung in Theorie und Praxis.
Isabell Huter, Geschäftsführung und Umweltbeauftragte des MuKu sowie Vorstand des Kinder- und Jugendkulturvereins youngstar, schreibt im Erfahrungsbericht „Unser Weg zur Green Location“: „Werte durch Kunst und Kultur zu vermitteln, hat in der Alten Gerberei immer höchste Priorität und so soll auch das Thema Nachhaltigkeit in der Programmgestaltung stetig präsent sein.“ – Für eine bessere Zukunft für alle.
„Die Zukunft gehört allen“
– dieser Satz leitet auch den Film des heutigen Abends ein, auch wenn sich die Phrase als zynisch enthüllen wird.(3) „Das tiefste Blau“ handelt von der 77-jährigen Tereza (Denise Weinberg), die im Amazonasgebiet Brasiliens in einer kleinen industriellen Stadt lebt und arbeitet, bis sie von der Regierung dazu aufgefordert wird, in eine abgelegene Kolonie für Senior*innen umzusiedeln. Die jungen Menschen sollen keine Ressourcen mit der Pflege der entmündigten Alten verschwenden und damit deren Produktivität nicht gefährdet wird, sollen ältere Menschen ihren Lebensabend woanders verbringen. Die widerständige Tereza hat anderes im Sinn. Ihre Reise zur Erfüllung ihres letzten Traums nach Freiheit in hohen Lüften führt sie durch die Flüsse und Dschungelgebiete des Amazonas.
Für den Regisseur Gabriel Mascaro handelt der Film vom Recht zu Träumen, mit einer Protagonistin, „die signalisiert, dass es nie zu spät ist, eine neue Bedeutung im Leben zu finden“ (aus: Werbefolder Film). Der Film ist Ausdruck vom Drang nach Freiheit und gleichzeitig einer präsenten Verbundenheit mit der Natur. Die unmittelbare Koexistenz der Bewohner*innen mit dem Amazonas zeigt subtil die Abhängigkeit vom Fluss als Lebensader und Zuhause. Ein Verlangen nach Selbstbestimmtheit und Freiheit bleibt bestehen, auch nach dem Verlassen der Alten Gerberei. „Es ist Zeit, Hoffnung zu schöpfen“, tönt es kurz vor dem Abspann noch einmal über das Wasser des Amazonas … (4)
Bildstarke Bildung für Jung und Alt
Neben Spielfilmen sind auch sehr viele Dokumentationen im Programm des Kino Monoplexx. Diese werden nach Möglichkeit mit Diskussionen und Gesprächen mit Expert*innen verknüpft. Hans Oberlechner erzählt dazu: „Wir sind nicht nur als Green Location zertifiziert, wir versuchen das auch zu leben. Wir sehen uns auch als Bildungseinrichtung – Kulturarbeit heißt nicht nur schöne Veranstaltungen auf die Beine zu stellen … es muss ein Nachwirken, Nachhallen geben. Es soll auch irgendwo etwas bewirken, bei jedem Menschen, so wirkt das im Grunde am nachhaltigsten.“
Dieser Bildungsaspekt findet sich auch stark im Kinder- und Jugendprogramm, wobei Themen rund um Nachhaltigkeit und Klimakrise zentral sind. Das wird im Haus in der zweiten Veranstaltung im Rahmen der Tage der Klimakultur ebenfalls aufgegriffen, die Teil des youngstar KINOHIT Programms ist. Am Sonntag, den 19. Oktober, nimmt uns der Regisseur Claude Barras im Animationsfilm „Tumult im Urwald“ in den Dschungel auf der Insel Borneo mit.
Mit teils drastischen Bildern, aber gleichsam in humorvoller Weise transportiert der Film „ein Bewusstsein für die Bedeutung des Urwalds und die Völker, die dort leben“, wie Lukas Massinger, der auch Projektleiter vom Verein youngstar ist, schildert. In bezaubernder Stop-Motion-Technik erzählt dieser Film mit Realitätsbezug von einer widerständigen Elfjährigen, Kéria, die zusammen mit ihrem Cousin aus dem indigenen Volk der Penan und einem Orang-Utan-Baby der Abholzung für die Palmölindustrie den Kampf ansagt. Auf einem Protestbanner steht unmissverständlich geschrieben: „Wir sind die Natur, die sich verteidigt.“(5)
Der Film stellt Fragen nach artenübergreifender Koexistenz und Solidarität sowie unserer Verantwortung gegenüber dem Regenwald mit all seinen Bewohner*innen. Didaktisches Begleitmaterial vom Schweizer Verein Kinokultur rundet den Anspruch an Bildungsarbeit ab, in dem der Anbau von Palmöl und seine Folgen für Kinder anschaulich aufbereitet wird.
In beiden Filmen spiegelt sich das Jahresthema der Bleibefreiheit wider: Wer darf bleiben? Wer muss gehen? Und was sollten wir besser bleiben lassen? Ob im brasilianischen Amazonas oder im Dschungel von Borneo, immer wieder geht es um die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Mensch, Natur und Zukunft umgehen.
„Wir sehen uns eigentlich als sozialpolitischen Machtfaktor, wir bilden die Gesellschaft mit unseren Veranstaltungen mit. Das ist unser Anspruch und das passiert auch mit diesem speziellen Filmprogramm“, betont Hans Oberlechner. Damit zeigt der Verein Musik Kultur St. Johann, wie kulturelle Bildungsarbeit über reine Unterhaltung hinauswirken kann: als Impulsgeberin für gesellschaftliche Auseinandersetzung, als Plattform für diverse Stimmen und als Raum für nachhaltiges Denken – weit über die Dorfgrenzen hinaus.
In der Alten Gerberei findet vom 3. November bis 7. Dezember 2025 wieder das Kinder- und Jugendfilmfestival youngstar CINEALE statt. Youngstar, Verein zur Förderung von Kinder- und Jungendkultur hat wieder ein vielseitiges Filmprogramm sorgfältig zusammengestellt. Neben den gut besuchten Schulvorführungen gibt es auch öffentliche Veranstaltungen. Die Vermittlung demokratiebildender Werte, mit Toleranz, Freundschaft und Courage, steht heuer im Fokus. Dabei gibt filmpädagogisches Begleitprogramm die Möglichkeit für direkten Austausch über gesellschaftsrelevante Themen. Ein buntes Programm, das inspirieren und zum Nachdenken anregen soll.
(geb. 2002) wuchs in Baumkirchen (Tirol) auf. Nach einer Ausbildung im Bereich Malerei und Design folgte das Studium der Kunstgeschichte in Innsbruck. Sie ist als Kunstvermittlerin und im Besucher*innenservice im TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol tätig und daneben in der freien Kulturszene aktiv, in den letzten Jahren unter anderem bei der BALE Innsbruck und dem Verein kunst|stoff.