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Mobilität neu denken!

Vergangenen Samstag ging der Klimakultur-Lehrgang „Kultur durch Nachhaltigkeit – Nachhaltigkeit durch Kultur“, organisiert von TKI – Tiroler Kulturinitiativen und Klimabündnis Tirol, zu Ende. Für den würdigen Abschluss und einen gemütlichen Ausklang luden wir anschließend zum 4. Treffpunkt Klimakultur 2023. (1)

67,6 % – so hoch ist der Anteil der CO2-Emissionen (aus vor- und nachgelagerten Prozessen), der auf die Publikumsmobilität fällt, wie das Theater Regensburg in dessen Klimabilanz errechnet und Anfang 2022 veröffentlicht hat (s. Infobox). Grund für uns, im Lehrgang einen gezielten Blick auf das Thema Mobilität zu werfen und uns zu überlegen, wie diese in Zukunft neu gedacht werden kann. (2) Dafür haben wir Alexandra Fruhstorfer eingeladen, Künstlerin und Research Designerin, um uns im Rahmen des 5. Moduls performativ und künstlerisch an das Thema anzunähern.

 

Im Laufe des Lehrgangstages entstanden schließlich vier „Modelle der Zukunft“ (3), die alle Annehmlichkeiten bieten, um im öffentlichen Verkehr die Bedürfnisse der Passagier*innen zu erfüllen: Da wurde etwa die „E.N.T.E“ (4) entwickelt, kurz für „echt nützliche Tanzenergie“. Sie soll Platz für ein ganzes Dorf bieten und über einen kybernetischen Tanzboden genug Energie erzeugen, um den Reisenden eine gute Fahrt zu ermöglichen – tanzen, musizieren, genießen inklusive. Auch das „Kaffee-to-Mobile“ (5) kombiniert Fortbewegung mit Genuss: Es fasst in etwa hundert Personen und bewegt sich auf einer fixen Linie als „fahrendes Kaffeehaus“ durch die Stadt – je mehr Kaffee getrunken wird, desto mehr Dampf entsteht, desto schneller kann das Mobil fahren. Das „Pool Mobil“ (6) setzt ebenfalls auf die Kombination aus Fahrzeit & Quality Time: Eine PV-Anlage auf dem Dach des Gefährts sorgt für angenehme Temperaturen in den Pools, auf den Liege- und Sitzbänken kann während der Fahrt entspannt werden. Über eine App soll der Bedarf ermittelt werden, sodass der Mehrpersonentransport sinnvoll und flexibel angepasst und eingesetzt werden kann. Ein ganz besonderes Service bietet die „Save Space Bubble“ (7), die in der Nacht und speziell in Gebieten, wo die Öffi- bzw. Nightliner-Anbindung schwach ist, zum Einsatz kommen soll: Sie sorgt dafür, dass Personen sicher nach Hause kommen, geschützt vor Übergriffen und gefährlichen Situationen.

 

Alexandra Fruhstorfer hat uns zur Einstimmung auf diese „Bastelaktion“ bereits Fotos gezeigt, die „Gefährte der Zukunft“ zeigen sollen – mit dem Haken, dass diese „innovativen“ Fahrzeuge halt auch einfach nur wie Autos ausschauen und damit auf den ersten Blick nicht ganz so innovativ erscheinen. Dies lässt sich über die Vehikel unserer Teilnehmenden jedenfalls nicht behaupten, die Fotos sprechen für sich.

Die Vehikel der Zukunft wurden schließlich auch zu Beginn des Treffpunkts vorgestellt: Alexandra Fruhstorfer hatte die Modelle vorher hübsch in Szene gesetzt, die verbliebenen Teilnehmer*innen präsentierten dann die gemeinsam entwickelten Modelle.

 

Das Thema Mobilität zog sich natürlich auch durch das restliche von Alexandra Fruhstorfer konzipierte Programm: Bereits im Vorfeld formulierten die Teilnehmer*innen „Nachrufe auf den Individualverkehr“ und „Liebesbriefe an die Öffis“ (ein Klick auf die Links öffnet die Texte!). Diese Texte wurden später dann integraler Bestandteil der gemeinsam erarbeiteten Ausstellung. Während also die Teilnehmenden ihre Modelle bei Sonnenschein vor dem Artspace „Reich für die Insel“ planten, bereitete das „Team Klimakultur“ (bestehend aus Stephanie Rauscher und Anna Perktold vom Klimabündnis sowie Barbara Alt von den Tiroler Kulturinitiativen) drin schon mal die Inneneinrichtung für die Ausstellung vor. (8) Es entstand ein „Schrein“ für die Nachrufe, eine „Liebesecke“ für die romantischen Briefe an die Tram und ein Tischchen für die vier Modell-Gefährte. (9)

Nach der Präsentation der Zukunftsvehikel ging es dann auch schon ans Vorlesen der entstandenen Texte. Dafür nahmen Stephanie Rauscher und Ehrengast Katrin ohne H auf unserem „Pflanzshuttle“ Platz und gaben Texte zum Besten. (10) Vorgelesen wurden die Beiträge der Teilnehmer*innen, und auch die Poetry Slammerin Katrin ohne H hatte sich im Vorfeld mit der Aufgabenstellung beschäftigt und ihre Interpretation von Nachruf und Liebesbrief mitgebracht. Zusätzliche leere Vorlagen luden das Publikum dazu ein, sich inspirieren zu lassen und selbst ihre Auseinandersetzung mit dem Thema Mobilität aufs Papier zu bringen.

Abschließend gewährten uns Alexandra Fruhstorfer und Katrin ohne H Einblicke in ihre Arbeit. Moderiert von Johannes Reisigl, Künstler und Teil der Klimakultur-Kerngruppe, erzählten die beiden über ihren Zugang, speziell in Hinblick auf die Ausstellung und den Lehrgang bzw. die „Schreibaufgaben“, die auch Katrin ohne H bearbeitet hatte. Wie sprechen wir eigentlich über die Klimakrise und die globale Erhitzung, wollte Johannes im gemeinsamen Gespräch etwa wissen, und auch wie die beiden Künstlerinnen Strategien finden, mit den multiplen Krisen unserer Zeit umzugehen – wie sie dabei z. B. auch Schmerz und Überforderung aushalten. Durch unsere letzten „Treffpunkte“ zog sich immer auch die Frage der Imagination, die in der Moderation auch am Samstag wieder aufgegriffen wurde: Über „speculative design“, also wie Spekulation als Werkzeug dienen kann, Vorstellungshorizonte zu erweitern und Fragen an die Gegenwart zu stellen, sprachen die drei Künstler*innen im Laufe des Abends ebenfalls. (11)

Angeregt durch die verschiedenen Beiträge und das vertiefende Gespräch luden wir anschließend zum gemütlichen Ausklang bei Getränken und Snacks. Es entstanden noch weitere Liebesbriefe und Nachrufe (12), der Marktplatz wurde neugestaltet (vielen Dank nochmals an Jan Kamensky für die „bereinigte“ Version des Straßenbildes!) (13) und im intensiven Austausch wurden Ideen weitergesponnen.

 

Wir bedanken uns herzlich bei den Teilnehmer*innen an unserem Lehrgang, die an diesem Tag so tolle Modelle entwickelt, viele Anregungen und Konzepte eingebracht und schließlich den reibungslosen Übergang zum öffentlichen Treffpunkt vorbereitet haben. Ein großes Dankeschön auch an Alexandra Fruhstorfer, für die Konzeption des Tages und die intensive Abwicklung dieses letzten Moduls, an Katrin ohne H, für die Mitentwicklung des „Pool Mobils“ und die wunderbaren Texte, die sie uns mitgebracht hat, bei Johannes Reisigl für die Moderation des Gesprächs, bei unserem Publikum, dem Artspace „Reich für die Insel“ (14) sowie den MullMullern für die gemeinsame Nutzung der Location und das thematisch passende visuelle Bespielen des Raumes. Ganz tolle Nachberichte sind hier und hier im komplex Kulturmagazin erschienen, wofür wir uns ebenfalls bedanken möchten.

 

Unser nächster Treffpunkt Klimakultur findet am 25. Januar 2024 statt, wo wir im Rahmen der letzten Aufführung das Forumtheater „Jetzt! Das Theater mit der Zukunft“ anschauen werden. Wir freuen uns darauf!

Quelle:

Errechnet wurden die Zahlen auf Basis des Greenhouse Gas Protocols (GHG), das international am weitesten verbreitete Tool für die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen von Unternehmen. Die Emissionen werden dabei in drei „Scopes“ eingeteilt: Scope 1 umfasst alle direkt erzeugten Emissionen (hier: Kältemittel, Gas, Unternehmensfuhrpark), Scope 2 all jene Emissionen, die mit leitungsgebundener Energie verbunden sind (Strom, Fernwärme) und Scope 3 schließlich bezieht sich auf Emissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen – hierunter fällt etwa die Publikumsmobilität, aber auch die Mitarbeiter*innenmobilität, Wasser, Abfall, Papier etc. Die Prozentangabe 67,6 % bezieht sich dabei auf die Werte in Scope 3. Weitere Informationen gibt es hier.

(1)4. Treffpunkt Klimakultur © Daniel Jarosch

(2)Klimakultur-Lehrgang © Daniel Jarosch

(3)Gefährte der Zukunft © Daniel Jarosch

(4)E.N.T.E. © Daniel Jarosch

(5)Kaffee-to-Mobile © Daniel Jarosch

(6)Pool-Mobil © Daniel Jarosch

(7)Save Space Bubble © Daniel Jarosch

(8)© Barbara Alt

(9)© Daniel Jarosch

(10)© Daniel Jarosch

(11)© Daniel Jarosch

(12)© Daniel Jarosch

(13)© Daniel Jarosch und Barbara Alt

(14)© Daniel Jarosch