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Echo of the Cracks

Eine Ausstellung von Christina Burger und Katharina Briksi in der Bäckerei Kulturbackstube zeigt ortsspezifische Arbeiten, die sich mit dem urbanen Raum – insbesondere in Innsbruck – auseinandersetzen.

Prolog

Die Türen des Busses öffnen sich, Fahrgäste treten ins Freie. Sechs Minuten bleiben für den Umstieg – die Verspätung mit eingerechnet, noch drei. Die Pause nutzen, eine Zigarette geht sich schon aus. Anzünden, ein paar Züge nehmen, durchatmen. Neben mir zwei weitere Raucher:innen. Wir quatschen: über das Wetter, den Verkehr – eine kurze Interaktion inmitten der brummenden Motoren wartender Fahrzeuge. Mein Anschlussbus fährt gleich ab, kein Aschenbecher in Sicht. Ich schnipse die noch nicht ganz fertig gerauchte Zigarette auf den Boden und steige ein. Als der Bus anfährt, fällt mein Blick nach draußen, auf ein beschriftetes Pappschild. Es lehnt auf einer der Straßeninseln an einem Baum. Vorhin ist mir das gar nicht aufgefallen. Ich kneife die Augen zusammen und lese: rest to resist?

Die Stadt gehört denen, die darin rasten

Echo of the Cracks ist der Titel von Christina Burgers und Katharina Briksis Ausstellung. In der Bäckerei in Innsbruck zeigen die beiden Künstlerinnen ortsspezifische Arbeiten, die sich mit dem urbanen Raum – insbesondere in Innsbruck – auseinandersetzen. Im Rahmen der Eröffnung am 02.05.25 diskutierten die Künstlerinnen mit den Besucher:innen über die Nutzung des öffentlichen Raums, Potenziale der Stadt, Verdrängung und die Erschöpfung, die „to resist“ – das „Standhalten“ – mit sich bringt.

 

Während der Recherche stellten Burger und Briksi sich Fragen zur Gestaltung des öffentlichen Raums, Dynamiken der Gentrifizierung und zur fortschreitenden Bodenversiegelung. Sie beobachteten: Stellenweise bricht der Asphalt auf, die Wege werden holprig.

Wo sich Wurzeln und Blätter durch den Beton und die asphaltierte Straße in Richtung Licht winden, heißt es: aufmerksam sein. Selbst unter ungünstigen Bedingungen findet die Natur Wege, sich Raum zu verschaffen – und teilt ihre Strategien mit jenen, die zuhören.

Die Künstlerinnen positionieren sich auf schmalen Grünstreifen an stark frequentierten Orten Innsbrucks: an der Mariahilf- und der Herzog-Otto-Straße, am Busparkplatz beim Hofgarten. Christina Burger lässt sich tief in einen Busch sinken, verschwindet beinahe darin. Autofahrer:innen und Passant:innen schauen irritiert. Die Szene erinnert vielleicht an die Body Configurations von Valie Export, die sich in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren in kleine architektonische Nischen des Stadtraums legte – oft in unbequemen, ungewöhnlichen Posen, als Akt der Aneignung und Störung.

 

Auch bei Christina Burger und Katharina Briksi geht es um Selbstverortung im Stadtraum. Wo lässt sich rasten, wenn Bänke als Teil defensiver Architektur entworfen sind, wenn Grünflächen nicht betreten werden dürfen oder gar nur als schmale, bepflanzte Straßeninseln inmitten des Verkehrs auftauchen? Das öffentliche Rasten wird zum subversiven Akt. Es widerspricht der kapitalistisch geprägten Funktionalität des Stadtraums, in dem Effizienz und Konsum dominieren.

Wer rastet, gilt als untätig – als nicht produktiv. Ist das Rasten also politisch?

Transitorte und Spuren aus Stein

Neben Video- und Fotodokumentation der Performances in Innsbruck zeigt die Ausstellung auch Zeichnungen und Collagen.

 

Christina Burger stellt aus Steinen des Inns eigene Pigmente her, die sie zu Farben weiterverarbeitet. Die daraus entstandenen Zeichnungen und Malereien, poetische Parolen in Pastellfarben, erinnern an Protestschilder und rufen zu Empathie auf.

Katharina Briksi beschäftigt sich mit Wartebereichen wie Tram- und Bushaltestellen. Aus Zigarettenresten, die sie am Busparkplatz am Hofgarten gesammelt hat, legt sie Zeichnungen und Netze. Die Arbeiten basieren auf einer Beobachtung, die sie an Transitorten gemacht hat: Zigarettenreste werden vom stetigen Strom der Passant:innen nach und nach in die Ritzen des Asphalts oder zwischen das Kopfsteinpflaster gedrückt, wodurch allmählich eine Zeichnung am Boden entsteht.

Epilog

Die zu Beginn beschriebene Szene – das Warten, ein kurzes Gespräch, die achtlos weggeworfene Zigarette – wirkt beiläufig und alltäglich. Doch gerade solche scheinbar unbedeutenden Momente bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung: im hektischen Geschehen der Stadt sind wir ständig in Bewegung und passen uns flexibel an Umgebung und Situation an, häufig, ohne innezuhalten, um zu reflektieren.

 

Briksi und Burger laden die Besucher:innen ein, gemeinsam zu Rasten, sich Zeit zu nehmen und den Blick auf Zwischenräume, Umwege und Unterbrechungen des Alltags zu werfen.

info

Die Ausstellung läuft noch bis zum 30.05.25 in der Bäckerei Kulturbackstube in Innsbruck (geöffnet von Montag bis Freitag, 9 bis 17 Uhr).

 

Bei Interesse kannst du die Künstlerinnen kontaktieren:

Katharina Briksi
Christina Burger

Katharina Briksi

wurde 1997 in Ehenbichl geboren und wuchs in Lechaschau (Tirol) auf. Nach ihrer Ausbildung zur Goldschmiedin arbeitete sie für Künstlerinnen in Spanien und Ungarn. Seit 2019 studiert sie an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, 2024 absolvierte sie ein Auslandssemester an der Marmara Üniversitesi in Istanbul.

Sie ist Mitbetreiberin und -organisatorin des Projektraums Büro für – Gemeinschaftsorientierter Raum für Kunst, Kultur und Politik in Halle Saale und Mitglied des Künstler:innenkollektivs Tropical Heins. Ihre ortsspezifischen Arbeiten wurden bisher in Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich und der Türkei ausgestellt.

Die Künstlerinnen Christina Burger und Katharina Briksi

Exponate der Ausstellung Echo of the Cracks. Fotos: Britta Burger